Wer hat es nicht schon beobachtet, wie bei Regen die Wassertropfen auf der Glasscheibe perlen, sich miteinander verbinden und dann zu Boden gleiten? Wer kennt nicht das behagliche Gefühl, selbst im Trockenen zu sitzen und das Spiel des Regens auf der Glasscheibe zu beobachten?
Als der Architekt Ryue NIshizawa von der Stiftung Benesse, ansässig auf der kleinen Insel Naoshima in der japanischen Inlandsee, den Auftrag bekam, auf der Nachbarinsel Teshima ein Museum nur für die Künstlerin Rei Naito zu bauen, faszinierten ihn vor allem ihre kunstvollen Makrofotografien von Wassertropfen. Künstlerin und Architekt schufen miteinander ein Gesamtkunstwerk, das uns jedes Mal im Innersten berührt, wenn wir es mit unseren Gästen besuchen. Dabei ist es nichts weiter als eine weisse tropfenförmige Betonschale mit zwei runden Löchern in der Decke und einem weiss getünchten Boden, dessen Oberfläche so versiegelt ist, dass das Wasser darauf abperlt wie auf einem Lotosblatt. Gefüttert über ein ausgeklügeltes Röhrensystem im Boden, quellen an verschiedensten Stellen kugelförmige Wassertropfen aus dem Boden, versammeln sich zu kleinen Pfützen, laufen schubweise in den kleinsten Unebenheiten zusammen, vereinen sich zu grossen Pfützen und werden dort von einem kleinen Loch im Boden verschluckt wie der ewige Kreislauf des Lebens.
Die Besucherzahl ist beschränkt und man wird immer wieder zur beinahe sakralen Ruhe angehalten. Die Atmosphäre im Raum ist meditativ und nicht selten verlassen die Besucher den Ort mit glasigen Augen. Plötzlich versteht man die japanische Seele, dieses meditative Fokussieren auf das Detail, diese Reduktion auf das Wesentliche, das absolute Minimum. Alles ist Kunst. Viele sagen, es sei das beste Kunsterlebnis, das sie je hatten und sicher ist es eines der grossen Highlights auf unserer Architektur- und Kulturreise Japan.
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Gastbeitrag von Prof. Hans Binder